Schlussfolgerungen

Während das Bundesparlament in Bern mit der Totalrevision des CO2-Gesetzes über die Klimapolitik der Zukunft entscheidet, zeigt der Energiewende-Index der Umweltallianz unbestechlich, in welche Richtung sich Energie- und Klimapolitik hierzulande in der Gegenwart bewegen: Die um Witterungseinflüsse bereinigten Klimagas-Emissionen im Inland sinken längst nicht stark genug, um das vom Bundesrat soeben verkündete Netto-Null-Ziel für 2050 zu erreichen: Setzen wir das Klimaschutz-Tempo der letzten Jahre unverändert fort, verursachen Gebäude, Fahrzeuge und Industrie im Jahr 2050 noch fast 14 Millionen Tonnen energiebedingte CO2 Emissionen – weit mehr als «netto-null»! Im Jahr, in dem die Klimastreik-Bewegung ihren Anfang nahm – 2018 – ging der CO2-Ausstoss der Schweiz sogar bloss um gut ein Prozent zurück! In dem Tempo würde die Schweiz die energiebedingten Emissionen nicht mal in diesem Jahrhundert bis auf nahe null reduzieren. Damit ist glasklar: Wenn die Politik das eigene Klimaziel, die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Forderungen aus der Bevölkerung ernst nimmt, müssen National- und Ständerat jetzt eine deutlich wirksamere Klimapolitik im CO2-Gesetz verankern.
Auch bei anderen Indikatoren hakt es: Bei der Stromerzeugung aus Sonne, Wind und Biomasse sind wir 2018 noch weiter vom Zielkurs entfernt als zuvor. Es werden nicht genug erneuerbare Kraftwerkegebaut, um das Zielszenario der bundesrätlichen Energieperspektiven zu erreichen. Und dies obwohl Förderinstrumente wie Einspeise- und Einmalvergütung derzeit noch in Kraft sind, die in wenigen Jahren auslaufen sollen. Der Bundesrat muss also dringend ein Strommarktdesign vorschlagen, das den zügigen, weiteren Ausbau der neuen erneuerbaren Energien in Zukunft gewährleistet. Bei der kleinen Wasserkraft braucht es jedoch klare Gewässerschutzgrenzen. Denn 2018 entstanden zwölf neue Kleinwasserkraftwerke an schützenswerten Gewässerabschnitten, die zusammen keine zwei Promille zur Stromerzeugung der Schweiz beitragen. 100% Zielerreichung gibt es nur bei den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen «Leitplanken» der Energiewende – bei der Versorgungssicherheit und den Kosten der Energieversorgung. Hier brauchen wir uns auch in Zeiten der Energiewende offenbar keine Sorgen zu machen. Energie kostet die Schweizerinnen und Schweizer weniger als in den meisten anderen Ländern der Welt. Und die Energieversorgung ist sicher und zuverlässig. Das gilt auch für die Leistungsreserven in der Stromerzeugung, wie der neu konzipierte Indikator «Minimale Kapazitätsreserve» des EWX belegt: auch beim Ausstieg aus der Atomkraft bleibt der Schweiz genügend Leistung für die höchsten Stromverbräuche. Versorgungssicherheit und Energieausgaben können durch eine erfolgreiche Energiewende sogar noch besser werden: Wenn wir die einheimischen neuen erneuerbaren Energien ausbauen und den Energieverbrauch senken - dann steigt der Eigenversorgungsgrad mit Energie und die Ausgaben für Energieimporte sinken wieder.
Der Energiewende-Index (EWX) 2019 basiert grösstenteils auf den Daten von 2018 und erfasst damit erstmals den Stand der Energiewende, nachdem die Energiestrategie 2050 (zum 1.1.2018) in Kraft trat und zu wirken begann. Für eine umfassende Bilanz jenes Gesetzespakets ist es sicherlich zu früh, aber die riesige Zielabweichung bei den meisten Indikatoren macht klar, dass Abwarten sicher keine zukunftsweisende Strategie ist: Mit der aktuell laufenden Totalrevision des CO2-Gesetzes wird bestimmt, ob die Schweiz beim Indikatorenset Klimaschutz in absehbarer Zeit endlich auf Zielkurs kommt. Die Indikatoren für Energieeffizienz in Gebäuden und im Verkehr hängen auch davon ab, ob die Schlupflöcher bei CO2-Zielwerten für Neuwagen beseitigt werden, und welche CO2-Vorgaben der Bund für den Heizungsbau im Gebäudepark setzt. Die aktuellen Zielerreichungsgrade zeigen glasklar, dass beim Klimaschutz grosser Handlungsbedarf besteht. Ein deutlicher Auftrag ans nationale Parlament für die Beratung des CO2-Gesetzes und an die Kantone für die laufenden Revisionen ihrer Energiegesetze! Die Umweltverbände setzen sich mit all ihrer Energie dafür ein, dass wir die längst begonnene Energiewende erfolgreich fortführen und dazu den Kurs so justieren, damit wir so bald wie möglich eine sichere, umweltverträgliche und wirtschaftliche Energieversorgung haben. Der Energiewende-Index weist den Weg dorthin. Mit der Datenaufbereitung vom unabhängigen Beratungsunternehmen EBP Schweiz AG ist er ein solider, glaubwürdiger Wegweiser.

Detailliertere Schlussfolgerungen der Umweltallianz aus den einzelnen Ergebnissen des Energiewende-Index 2019 finden sich bei den einzelnen Indikatoren.